Wenn nun bei den Rückblicken und Bestandsaufnahmen die 30 Jahre Wiedervereinigung allgemein in den Fokus gerückt werden, dann sollte doch auch ein Blick auf die Zeit der Etablierung des VAMV in Thüringen nicht fehlen. Etwas Adäquates gab es in der DDR nicht. Auch wenn die Zahl der Alleinerziehenden nicht gering war, so gab es kein Bewußtsein, allein Erziehend zu sein. Warum auch?! Eine Diskrimierung gab es nicht. In Kinderkrippen und Kindergärten wurden die Jüngsten betreut, während Mutter oder Vater arbeiteten. Bei der Ferienplatzvergabe wurden die alleinerziehenden Eltern in gleichem Maße bedacht. Kein Zweifel, die außerschulischen Angeboten für die Schulkinder und Jugendlichen sorgten dafür, dass kostenlose oder erschwingliche Freizeitangebote genutzt werden konnten.
Wer alleinerziehend drei minderjährige Kinder hatte, galt als kinderreich und erhielt Vergünstigungen - bei Ehepaaren galt das ab vier Kindern.
Das änderte sich, als die Wende kam. Betriebe werden geschlossen und Arbeitsplätze fallen weg. Alleinerziehende finden schwerer einen Arbeitsplatz und werden nun mit ihrem "Makel" konfrontiert: Mit Kindern ist Frau ein Risiko für den Arbeitgeber. DDR-Frauen sollten ja sowieso laut der neuen Westwirtschaftsordnung ihre "ungesunde Erwerbsneigung" ablegen. In den folgenden Jahren wurde es hinsichtlich der Arbeitsplätze nicht besser. Das propagierte Familienbild aus der alten BRD, Vater, Mutter und zwei Kinder, wurde nun auch hier bei uns in Thüringen Politik. Alleinerziehend wurde nun zum Defizitären, abhängig von Hilfe und unselbständig angesehen. Deshalb wurde es wichtig, dass Alleinerziehende eine politische Lobby bekommen.
In Thüringen wurde der VAMV im Jahr 1992 gegründet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich unser Landesverband zu einer starken, auf Landesebene anerkannten Lobby entwickelt. Wir haben dafür gesorgt, dass das Familienbild nicht nur mit Vater, Mutter, Kind gesehen wird. Sondern das es vielfältiger ist. Alleinerziehend ist eine Familienform.
Mit dem ganzen Wissen über Alleinerziehende in der DDR und im vereinigten Deutschland ist es nur folgerichtig, dass die Prioritäten anders gesehen werden, als in den westdeutschen Landesverbänden. Dass wir uns anfänglich nicht wiedergefunden haben bei den Diskussionen zu den VAMV-Bundesdelegiertenkonferenzen. Unsere Stimme war einfach zu gering, um wahrgenommen zu werden. Unsere Probleme waren nicht die der westdeutschen Mütter und deshalb auch nicht wichtig. Allerdings hat uns das nicht entmutigt, denn wir waren in erster Linie für unsere Verbandsmitglieder zuständig. Doch haben und werden wir nicht nachlassen, unsere Standpunkte auf Bundeseben zu vertreten. Anerkennung dabei hat sich unsere langjährige Landesvorsitzende Viola Schirneck verschafft.
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